Photovoltaik und Photosynthese

Oben Solarzellen, unten Obst – so sieht die Agri-Photovoltaik-Anlage der Bürener Landwirte Fabian Karthaus und Josef Kneer aus. Eine Genehmigung für diese neuartige Solaranlage zu bekommen, war schwierig. Doch die Unternehmer blieben hartnäckig – und wurden so zu Trendsettern der Energiewende.

Fabian Karthaus und Josef Kneer

Steigende Temperaturen, Hagel, Wasserknappheit: Der Klimawandel stellt die Landwirtschaft vor neue Herausforderungen. Besonders betroffen ist der Obstanbau. Die Landwirte Fabian Karthaus und Josef Kneer aus Büren-Steinhausen im Kreis Paderborn haben eine Lösung gefunden, mit der sie die Pflanzen schützen und gleichzeitig Strom produzieren können: Sie haben eine sogenannte Agri-Photovoltaik-Anlage (Agri-PV) gebaut – Solarzellen, die über einer Obstplantage schweben.

Die beiden Cousins betreiben inzwischen schon zwei solcher Anlagen. Der Vorteil: Das Obst gedeiht, während gleichzeitig das Dach Strom produziert. Der Acker wird also doppelt genutzt. Und: Das Solardach schützt die Pflanzen vor Hagel, starkem Regen und zu intensiver Sonneneinstrahlung.

Die Agri-PV-Anlage ist vor allem in heißen Jahren erfolgreich. Auf einer Vergleichsfläche ohne Anlage hat Karthaus festgestellt, dass mehr Beeren vertrocknen, obwohl sie gut bewässert wurden. Das PV-Glasdach hingegen schützt den Boden vor dem Austrocknen, indem es Schatten spendet. In Jahren mit hohen Temperaturen ist die Ernte deshalb üppig, und die Stromproduktion ebenso. Scheint dagegen in einem Jahr die Sonne seltener, fällt die Ernte unter einer Agri-PV-Anlage schlechter aus als auf einer Vergleichsfläche ohne PV. Für Karthaus ist das aber kein Manko: „Wichtig ist der langfristige Durchschnitt.“

Nachhaltige Energiegewinnung

Als Kneer und Karthaus im Jahr 2018 eine Photovoltaik-Anlage auf ihrem Land bauen wollten, fiel ihnen auf, dass sie die Fläche unter den Solarpanelen auch landwirtschaftlich nutzen könnten. „Unter einer Freiflächen-Anlage verschwindet wertvoller Ackerboden“, moniert Karthaus. So entschieden sie sich für eine Anlage auf Ständern und darunter für Pflanzen, die keine volle Sonneneinstrahlung brauchen. Dafür eignen sich Heidelbeeren, Brombeeren, Erdbeeren, Äpfel und Trauben. „Agri-PV ist eine der nachhaltigsten Möglichkeiten der Landnutzung und Energiegewinnung“, urteilt Karthaus.

Um die Anlage bauen zu dürfen, brauchten sie jedoch eine Genehmigung des Bauamtes. Dafür waren Gutachten zu Brandschutz, Vogelschutz und Statik nötig. „Der Weg zur fertigen Anlage war mühsam und zu der Zeit Pionierarbeit“, sagt Karthaus. Doch schließlich genehmigte das Bauamt die Agri-PV-Anlage als Gewächshaus, weil das Baurecht die gleichzeitige Nutzung einer Fläche für Pflanzenanbau und Solarstromproduktion nicht vorsah. Obwohl es damals kaum Erfahrungswerte mit Agri-PV gab, investierten sie rund 600.000 Euro.

Als der Bau fertig war, zog das Bauamt die Genehmigung plötzlich zurück, denn es gab Unsicherheit über die finanzielle Förderung für die neue Art der Solarstromerzeugung über einem Acker. Glücklicherweise besuchte die NRW-Landesbauministerin Ina Scharrenbach die Anlage und Karthaus und Kneer konnten sie von ihrem Projekt überzeugen. Mit Unterstützung der Landesregierung holten sich die Landwirte die Genehmigung zurück. So konnte die Anlage schließlich im April 2021 in Betrieb gehen, als bis dato größte ihrer Art in Deutschland mit einer Leistung von 740 Kilowatt.

Agri-PV-Anlagen werden schon bald ein Massenphänomen sein, erwartet Karthaus. „Es gibt ein großes Potenzial für Solaranlagen auf Feldern.“ Fast die Hälfte der Fläche in Deutschland wird landwirtschaftlich genutzt. Und Landwirte sind mit einer starken Volatilität konfrontiert. „Am Anfang des Jahres, wenn wir Pflanzen aussähen, wissen wir nicht, wie der Ertrag ausfallen wird“, erklärt Karthaus. Sich mit Photovoltaik ein zweites wirtschaftliches Standbein aufzubauen, stelle das Unternehmen breiter auf und senke das Risiko. „Ohne Photovoltaik könnte ich mir nicht vorstellen, in 20 Jahren noch diesen Job zu machen“, gibt Karthaus zu.

Den Bau der Anlagen hat die Volksbank Büren-Salzkotten finanziert. In den Branchen Landwirtschaft und Energiewirtschaft kenne sich die Bank bestens aus, bescheinigt er. „Mit unseren Beratern können wir sehr offen sprechen. Und ich weiß, dass ich definitiv das beste Angebot bekomme. Auch der Vorstand der VerbundVolksbank OWL schaute kürzlich vorbei und war sichtlich beeindruckt.“

Den Strom, den die beiden Unternehmer mit ihren Anlagen produzieren, speisen sie aktuell fast komplett ins Netz ein. Künftig wollen sie mehr davon selbst nutzen, um Getreide und Mais zu trocknen. Auch deshalb sind schon weitere Agri-PV-Anlagen in Planung – die Felder dafür haben Karthaus und Kneer schon ausgesucht.